top of page
Suche

Maria und Sara unterwegs – Frankreich Tag 8 – 7. November 2023

„Hör nicht auf“


Morgen endet unsere Reise und die letzte Nacht verbringen wir spontan in der Nähe von Ulm. Gerade sind wir auf einem Campingplatz eingekehrt. Wir sind überrascht, wie kalt es hier ist. Gestern Nachmittag standen wir noch mit lauter Surfern am Strand und es fühlte sich trotz des Windes noch spätsommerlich an. Am Morgen begrüßen uns verschneite Berge und wir staunen über die Vielfalt der letzten Tage. Bezogen auf alles. Allein heute sind wir durch Italien, die Schweiz, Österreich und Deutschland gefahren.


Unser Halt in Lindau war das Finale der Reise und hat uns Antwort auf die Frage gegeben, wie wir Gott mehr leben können. Mir reicht es einfach nicht mehr hier nur zu schreiben. Ich würde gern so viel mehr in Bewegung bringen. Und deshalb wurde uns heute erneut Zeichen um Zeichen gesendet. Wir schlenderten durch Lindau und da zog es mich wie von Geisterhand zu dieser Galerie. Durch die Scheibe starrte mich das Gemälde an und ich fragte mich, wieso ich es mag. Es zeigte weder ein Motiv, das mir gefiel, noch waren es meine Farben. Und dennoch konnte ich nicht wegsehen und es rief: „Du und ich, wir beide, wir haben etwas vor.“ Ich ignorierte den roten Engel und schaute mir die bunten Nachbarbilder an. Plötzlich zwinkerte mir der Künstler zu, der dabei war, ein neues Kunstwerk zu schaffen. Mit dem Pinsel in der Hand lächelte er mich an, wie der Buchhändler im Film der „Unendlichen Geschichte“ Bastian Baltasar Bux hinterher gelächelt hatte, weil er genau wusste, dass die „Unendliche Geschichte“ zu ihm wollte. Eigentlich fühle ich mich in Kunstgalerien unwohl, weil ich dort von den Preisen eingeschüchtert werde, die ich für die Kunst nicht zahlen kann oder möchte. Doch ich überwand meine leichte Scheu und schob die Glastür auf. Auch wenn ich den Künstler zunächst nicht sehen konnte, so hatte ich den Eindruck, dass er mich energetisch beobachtete. Ich grüßte ihn und schaute mich in Ruhe um. „Sie haben andere Kunst als andere. Ihre Bilder leben und zeigen eine andere Welt.“ Meine Kommentare schienen nicht neu für ihn zu sein. Als ich auf den türkisbunten Sarg blickte, den er einfach wundervoll gestaltet hatte, dachte ich zum ersten Mal darüber nach mich doch nicht verbrennen zu lassen, nur um mich einmal in diese Kunst legen zu dürfen. Seine Farbenspiele wirkten erhebend. Dieser Künstler sprach unsere Sprache, die des Herzens. Er spürte meine Verbundenheit zu dem roten Bild mit den Rosen und dem Engel. Ich fragte ihn, was ihn zu diesem Bild inspiriert habe. Er erzählte, er habe mal eine große Engelskulptur besessen, die er so sehr geliebt hat, dass er sie aus allen Perspektiven gezeichnet hat. Doch eines Tages kam jemand, der diese Skulptur dringender zu brauchen schien und er hat sich von ihr getrennt, was er einst für unmöglich gehalten hatte. Allein diese Geschichte ist berührend. Er sagte: „Das ist der Engel der Liebe.“ Wir erzählten ihm, dass wir gerade von einer Reise kommen, die im Grunde auch viel damit zu tun hat, der Liebe und seinem Herzen zu folgen, was auf andere vielleicht etwas verrückt wirken könnte. Da schritt er auf uns zu, blickte mich an und fragte: „Hat es sich gut angefühlt, was dabei heraus kam? Fühlt es sich immer noch gut an?“ Ich nickte mit strahlendem Herzen. „Dann hör auf keinen Fall damit auf. Macht weiter. Immer weiter.“ Sein Blick und die Art, wie er sprach, hatten nichts mit einem wohlmeinenden Rat zu tun, den man sich zwischen Tür und Angel erteilt. Es war, als würde meine Seele selbst durch ihn zu mir sprechen. Zu uns. Ich freute mich sehr über diese Worte der Bekräftigung. Doch traurig stimmte mich, dass wir das 4600 Euro teure Bild nicht kaufen konnten, obwohl es zu mir wollte. Da kramte der Künstler noch eine Weile herum und zog einen Holzdruck hervor, den er mir für 50 Euro lassen wollte. Er wäre mehr Wert, das wussten Sara und ich sofort. Doch das Bild wollte mit, also fand es einen Weg. Ich wusste schon beim Kaufen, dass es mal wieder nicht ums Besitzen geht. So wie ich damals schon zwei Holzfiguren kaufte, um sie zu verschenken, so soll auch dieses Bild ein Geschenk sein. Kaum hatten wir die Galerie verlassen, wusste ich schon, wo es hin soll.


Sara und ich kamen vor einem winzig kleinen Cafe zum Stehen. Sara schlug vor es zu besuchen. Es gab nur eine einzige Sitzgelegenheit im Fenster selbst und mehr schien das Räumchen auch nicht zu brauchen, denn wir blieben für die nächste Stunde die einzigen Kunden. Ganz sicher nicht zufällig. Die Bedienung hieß Marianna (!) und sprach nur Englisch. Wir kamen ins Gespräch und es wurde sehr umfangreich. Sie war um die 30 und kam ursprünglich aus Argentinien und hatte zuletzt in Barcelona gelebt. Eine der dort verkauften Kaffeesorten hieß „Santa Maria“ und wir erzählten in Kurzform, dass uns dieser Name gerade verfolgt. (Die Bedienung selbst trug ja die Maria im Namen.) Sie fragte, ob wir an Gott glauben und ich glaube, ich habe noch nie mit solcher Inbrunst JA gesagt. Das Wort „Gott“ erschreckt mich immer mal wieder wegen des kirchlichen Anstrichs, doch ich lerne es für mich neu zu bemalen und zu lieben. Marianna erzählte, sie habe einen sehr strengen Vater gehabt, der sie gezwungen hat in die Kirche zu gehen, weshalb sie kein ungestörtes Verhältnis zur Kirche habe. Doch dann sei ihre Mutter Teil der Bewegung geworden, die sich „Fokolare Mariapolis“ nennt. Im Grunde ist „polis“ wohl die Herdstätte in einem Haus und es geht darum, dass Menschen in dieser Bewegung ein Familiengefühl bekommen. Mariannas Augen begannen zu leuchten, als sie von ihrer Erfahrung in dieser Gemeinschaft erzählte. Sie sei 17 gewesen und habe nichts Besseres zu tun gehabt. Also sei sie eine Weile dort gewesen, in einer der Mariapolis-Städte. Es sei fantastisch gewesen. Alle Religionen würden dort miteinander leben, jede Nation sei in der WG vertreten gewesen und sie sei so genährt gewesen zu dieser Zeit. Sie wurde traurig. Vielleicht fiel ihr auf, dass sie heute keine nährende Gemeinschaft mehr hat, sondern sich immer allein durchschlägt. Sie hatte uns mit dem Tipp sehr weitergeholfen und ich freute mich ihr auch einen Tipp geben zu können. Sie will bald nach Australien reisen und ich gab ihr den Kontakt zu einem Australier, bei dem sie vielleicht arbeiten kann. Als Sara und ich das Cafe verließen, schüttelten wir wieder nur mit dem Kopf.


Noch auf der Fahrt zum nächsten Campingplatz recherchierte ich nach deutschen Zweigen dieser Bewegung und stellte fest, dass in unmittelbarer Nähe eine solche Gemeinschaft wirkt. Ich telefonierte mit einem Herrn, der eine der zwei einzigen deutschen Siedlungen der „Fokolare“-Bewegung betreut. Er wirkte sehr freundlich, aber als ich fragte, ob wir die Siedlung morgen spontan besuchen könnten, spürte ich auch bei ihm Unwohlsein. Immerhin fanden wir hier aber eine theoretische Offenheit vor.


Sara und ich sprachen darüber, welche Art Gemeinschaft uns vorschwelgte. Wie soll man sich als Besucher fühlen, wenn man einfach nur den Kontakt herstellen soll? Uns wäre wichtig, dass sich Neugierige schon von Anfang an willkommen geheißen fühlen. Wenn wir dem Gedanken folgen, dass wir alle EINS sind, macht alles andere keinen Sinn. Das bedeutet nicht, dass jeder sofort zu Besuch kommen kann. Aber wer diese Gemeinschaft nach Außen hin vertritt, muss sich selbst als Teil einer Menschengemeinschaft erkennen. An der Fokolare-Bewegung gefällt mir sehr gut, dass immer eine Frau Präsidentin ist und einen männlichen Co-Präsidenten zur Seite stehen hat. Die Bewegung wird auch von Priestern und Bischöfen angenommen, was ich wirklich erstaunlich finde. Sie akzeptieren eine Frau an der Spitze und damit bricht diese Maria-Bewegung schon ein verstaubtes Prinzip aus dem Vatikan. Mutter Maria ist eine wesentliche Figur in der Bewegung und soll IN SICH kultiviert werden. Jedes Mitglied ist dazu eingeladen Nächstenliebe zu verschenken, also Jesus zu geben, um die innere Mutter Maria zu entwickeln, zu erinnern. Also ähnlicher kann das, was ich empfangen habe, gar nicht zu dem sein, was die italienische Gründerin dieser Bewegung empfangen hat. Sie hat Gott nämlich mal gefragt, wieso er uns nicht die Mutter Maria gelassen hat und er antwortete, wir sollten unsere eigene Mutter Maria leben und Jesus verschenken. Ein zentrales Jesus-Zitat, das der Gemeinschaft zugrunde liegt, heißt: „Alle sollen eins sein.“


Und da stehen wir jetzt mit alten Leben, neuen Eindrücken und Inspirationen ohne Ende. Klar ist, Entwicklung braucht Zeit und diese Reise hat den Anstoß gegeben, sich über die Freude an der Gemeinschaft erneut Gedanken zu machen. Wir haben erlebt, wie viel passiert, wenn nur zwei in seinem Namen gemeinsam einen Weg begehen. Was wohl erst los ist, wenn mehrere sich zusammen tun und für das Licht wirken wollen, wie es gerade schon überall auf der Welt geschieht. Wir haben eine letzte Nacht vor uns und morgen Nachmittag bringt mich Sara noch zum Zug. Dann endet eine Reise, die ich nie wieder vergessen werde und eine neue beginnt. Wenn ich eins von den vielen Impressionen mitgenommen habe, dann dass Gott eine Sichtweise ist, die ich jede Sekunde wählen kann. Gott ist nichts anderes als die Wahl für Freude, Frieden und Ausdehnung hin zum Nächsten. Gott ist die Wahl mich GANZ und ohne Schau auszudrücken, mir alles zu erlauben, was aus meinem Herzen herausströmt. Diese Reise hat noch mehr Fesseln gelöst. Passend dazu fanden wir auf dem verpackten Engel-Bild heute das Zitat von Rosa Luxemburg (siehe Bild). So schaut es aus. Nicht alle können bei meinem nächsten Schritt hier mitgehen, weil die Freiheit, mit der ich mich hier zeige und ausdrücke, für das eigene Gefangensein wie eine Provokation wirkt. Doch die, die meinen Grad an Gottesfreude aushalten, haben ihre Fesseln bereits gesprengt oder werden es bald tun. Manche Menschen gehen, wenn ich mich noch ehrlicher zeige und noch mehr zu meiner Größe finde. Das war seit Gründung des Kanals schon so. Manche wollen einfach nur Weisheiten konsumieren und nicht den Transfer von dem Gelesenen zum eigenen Leben ziehen. Manche interessiert mein Weg auch gar nicht. Für mich ist wichtig hier kein Konsumier-Kanal zu sein. Ich überfordere manches Denkmuster und passe in keine Schublade. Und genau so bin ich gedacht, weil Gott genau so ist. Er ist einfach alles, wonach ihm ist. Er lässt sich nicht konsumieren, sondern nur jeden Tag neu leben, entdecken, erinnern. Die Liebe ist ein Fluss, eine nie endende Ausdehnung. Ich kann meiner Liebe keine Schranken setzen, nur weil sie dich vielleicht überfordern könnten. Aber du kannst deine Schranken sprengen und dir ebenfalls erlauben ALLES zu sein, wonach dir ist. Unser Leben spricht mit uns und zeigt uns den Weg. Das konnten Sara und ich mit unserer Reise zeigen. Welche Geschichte wähle ich? Wie lebendig trete ich mit meinem Leben in den Dialog? Erlaube ich mir wirklich meine ganze Größe? Ich wünsche, dass hier viele Menschen lesen, die jetzt ein JA in sich spüren. Ja zu unserer vollen göttlichen Größe, zu unserer Vorstellungskraft und Freude. Ja zu allem, was sich zeigt und ein Nein zur Angst vor dem Licht, das andere vielleicht erschrecken könnte. Ja, ich habe in den letzten Jahren einige Menschen erschreckt. Und jetzt habe ich ein Umfeld, das ich liebe und das mich liebt. Wer sich ganz lebt, erntet Liebe. Lasst uns mutig sein und uns nicht vor der Einsamkeit fürchten, die uns in vergangenen Leben eingeholt hat, nachdem wir uns gezeigt haben. Jetzt können wir uns zeigen und werden strahlen. Wir haben jetzt eine Zeit, in der die Liebe vorangeht und uns nichts aufhalten kann. Ein Hoch auf uns und unsere Freude. Lasst uns nicht aufhören mit dem Lauschen. Lasst uns weitermachen mit dem Auflösen unserer Ängste. Wir sind so viel mehr als wir erahnen. Gute Nacht.


bottom of page